hoseyn a. zadeh : zwischen zwei alphabeten und kulturen
wenn der in balgach wohnhafte graphic designer hoseyn a. zadeh am computer arbeitet, dann wechselt der cursor seines rechners während des schreibens plötzlich die position und bewegt sich beim schreiben von rechts nach links. der 34jährige iraner aus teheran schreibt seine dokumente in englisch und in farsi, der sprache seiner heimat, die von rechts nach links geschrieben wird. seit dreieinhalb jahren lebt er in der schweiz. und er ist gewissermassen in warteposition. er und seine frau bahar, eine architektin, warten auf den behördenbescheid, weil sie in der schweiz bleiben wollen. und solange ein positiver bescheid nicht eintrifft, ist es den beiden nicht gestattet, beruflich tätig sein. aber er darf am computer grafische studien betreiben – und das macht er. freunde aus der ostschweiz, die seine arbeiten kennen und sie spannend finden, haben sich entschlossen, in zürich einen einblick in seine arbeitsweise zu gewähren. «kassette. für projekte» heisst das kleine kulturzentrum beim zürcher schauspielhaus, wo mitte august arbeiten aus den berufsjahren von hoseyn a. zadeh im iran sowie studien aus der zeit im rheintal gezeigt werden.
zadehs plakate – und er hat eine ganze menge plakate entworfen und auch schon ausserhalb seiner heimat an ausstellungen zeigen können – sind in der regel poster, die für kulturinstitutionen ausgeführt wurden. ausstellungen, tagungen, buchtitel stehen im zentrum dieser grossformatigen grafischen arbeiten. spannend ist die art und weise, wie farsi und englisch, wie arabische schriftzeichen und lateinische, sich hier ebenso begegnen wie grafische vorlieben des orients und des okzidents. manche symbole sind für menschen, deren augen an der
ästhetik des europäischen raums geschult wurden gewöhnungsbedürftig, aber auch spannend . zadehs zeichensprache ist auch für europäer absolut verständlich. wenn er im rahmen einer kampagne für menschenrechte ein auge zeigt, das offen sein will und dennoch geschlossen ist, dann wird klar, dass zadeh darauf aufmerksam macht, dass wir nicht wahrnehmen wollen, dass menschenrechte in vielen ländern nicht eingehalten werden. gerade in der heutigen auseinandersetzung um die flüchtlinge aus syrien und nordafrika oder um die einhaltung von menschenrechten in der türkei, in russland oder nordkorea hat diese arbeit eine aktuelle bedeutung.
im iran ist es brauch, an neujahr gemeinsam mit freunden am tisch salatblätter in süss-sauren, erfrischenden sekanjabin-sirup zu tauchen und zu essen. mit diesem ritual wird das neue jahr begrüsst. zum «world graphic day» hat zadeh ein plakat beigesteuert, auf dem ein goldenes tablett, salatblätter und eine blau umrandete, mit einem sirup aus honig und essig gefüllte schale zu sehen sind. zadeh will mit diesem plakat menschen dazu auffordern, zusammenzukommen und das neue jahr erwartungsvoll zu begrüssen. mit einer reihe von plakaten hat er für bücher seiner lieblingsautoren geworben, die in farsi erschienen sind. der französische goncourt preisträger romain gary gehört mit seinem buch «du hast das leben noch vor dir» zu diesen schriftstellern ebenso wie der kolumbianische literatur-nobelpreisträger gabriel garcia marquez mit seinem buch «hundert jahre einsamkeit». «the iranian look» nennt grafiker zadeh eine andere arbeit, in der sich – für europäische augen verschränkt sich präsentierende farsische schriftzeichen – in bildhafter weise viel bewegter darbieten als die lateinischen, die beide dasselbe besagen. die lateinischen lettern wirken statisch im vergleich zur sinnlich bewegten schreibweise des orients.
humanitär und politisch sind andere plakatarbeiten von hoseyn a. zadeh, wenn er nach einer entführung von fünf männern in seiner heimat, bei der ein entführter von den entführern ermordet wurde, angstvoll fragt, «who’s next?» und den buchstaben x blutrot färbt. und weil in manchen ländern bei wahlen stimmen absichtlich nicht gezählt werden, belässt er in seinem plakat mit der aufschrift «where is my vote?» das wort „vote“ nur schemenhaft, um zu zeigen, dass hier stimmen nicht gezählt, nicht berücksichtigt wurden. manche sprichwörter seiner heimat weiss zadeh in typografisch ansprechender weise umzusetzen, für uns, die wir sie sehen aber nicht lesen können, bilden sie schöne bilder, für die bewohner des irans sind sie mit bedeutung gefüllt.
typografische arbeiten und logotypes, studien für institutionen und firmen gehören ebenso zum experimentierfeld des grafikers, der während seines aufenthalts im st.galler rheintal genug zeit hat, um plakate und andere typografische arbeiten von schweizer kollegen zu studieren. wenn er nur die möglichkeit hätte, seine gestalterische sprache, die zwischen zwei alphabeten und kulturen zuhause ist, auch beruflich in der schweiz umzusetzen!
michael guggenheimer
ausstellung und workshop
right aligned
hoseyn a. zadeh | graphic works. plakate und typografische arbeiten.
14. – 19. 8. 2015
«kassette. für projekte» gewährt im rahmen einer einwöchigen ausstellung sowie eines workshops einblicke in die arbeit von hoseyn a. zadeh. der überwiegende teil der arbeiten ist in den schriftzeichen seiner heimat, in farsi, gehalten, daher der titel der ausstellung: „right aligned“, nach rechts ausgerichtet, denn farsi wird von rechts nach links geschrieben. ausstellungseröffnung am freitag, 14. august um 19.30 uhr mit einer ansprache von roland stieger, gestalter bei tgg, agentur für visuelle kommunikation, st.gallen.
am samstag, 15. august bietet hoseyn a. zadeh im rahmen eines workshops (14.00 bis 17.00 uhr) interessenten die möglichkeit, erfahrungen zwischen alphabeten zu machen. (bitte laptop mitbringen). anmeldung bitte bis 12. august an regula ehrliholzer <reh@die-kassette.ch>