basler zeitung, 22. september 2004
zwischen zwei zügen in olten
kunst aus dem handgepäck im kunst museum olten
unter dem titel «zwischen zwei zügen. kunst aus dem handgepäck» zeigt das kunst museum olten mit der bahn transportierbare werke, die strecken zurückgelegt haben oder unterwegs entstanden sind.
«alpstein museum im kunstmuseum olten» oder auch «pocket museum» nennt der in trogen lebende hr fricker seine installation. inmitten eines grün gestrichenen ausstellungsraums befindet sich in einer ausstellungsvitrine aus plexiglas die abgeschraubte hand einer schaufensterpuppe, in der fundgegenstände liegen. ein stein, eine kleine likörflasche, ein knochenfragment, ein bohrhaken: gegenstände, die in frickers hosentasche platz finden, objekte, die er bei seinen ausgedehnten wanderungen im alpsteingebiet gefunden hat.
sennen und kuratoren
jeder dieser gegenstände hat seine geschichte, eine reale und eine mögliche. fricker zeigt jedes fundobjekt in grossformatigen farbaufnahmen an den wänden nochmals. und unter jeder fotografie wird minuziös beschrieben, wo der gegenstand wann in begleitung von wem gefunden wurde. es sind die schriftlich festgehaltenen geschichten, die fricker auf seinen führungen durch die einzelnen räume des alpsteinmuseums erzählt. denn unterwegs von einer alpwirtschaft zur nächsten gaststätte, den einzelnen filialen oder räumen seines alpsteinmuseums, kommt der direktor des gegen 20 kammern umfassenden und räumlich ausgedehntesten museums der schweiz ins erzählen, berichtet über geologie und bergsteiger, über wirte und forscher des säntismassivs. fricker kennt das alpsteingebiet so gut wie wenige: mit geologen, höhlenforschern, sennen, präparatoren, kuratoren, förstern, rettungsleuten und wegmachern war er unendliche male schon im alpstein unterwegs und suchte sogar im auftrag von bauernhausforschern, nach wüstungen. standplätze und ruinen von sennhütten und ställen. seine installation in olten bringt das berggebiet in den kantonen appenzell und st.gallen mit objekten, fotografien und erzählungen in die eisenbahnmitte der schweiz.
eine kugel auf weltreise
die ferne nach olten hat auch arlette ochsner gebracht: in lenzburg, ihrem wohnort, hat sie zwei 233 kilo schwere kugelskulpturen mit einem durchmesser von je 127 cm erstellt. die eine der beiden kugeln hat sie per bahn und schiff in den südpazifik transportieren und dort nach mehreren zwischenhalten in etwa 5000 metern tiefe im meer versenken lassen. die andere kugel liegt nach einem zwischenhalt in aarau seit kurzem in einer schlucht auf gemeindegebiet von termen im wallis. minuziös in mehreren ordnern ist die fahrt der südlichen kugel im museum beschrieben: fotografien und mails von den hafenverwaltungen von antwerpen und rotterdam, vom bord des containerschiffs remuera sowie von zwischenstationen in neuseeland geben minuziös auskunft über die beschwerliche reise der kugel in die südliche hemisphäre. «durch die imaginationskraft der betrachterin oder des betrachters wird die verbindende dimension der sich auf 12’732 km ausgedehnten skulptur wirklichkeit», sagt arlette ochsner.
museum im koffer
«typical switzerland» heisst eine arbeit der beiden basler hendrikje kühne und beat klein: sie haben auf dem boden eines museumssaals aus zurecht geschnittenem karton eine grosse stadtlandschaft in grau erbaut, die von der warte des besuchers zunächst an eine jemenitische stadtlandschaft erinnert. wer die stadt umkreist, staunt nicht schlecht: plötzlich sind die konturen der schweizer landkarte zu erkennen, plötzlich wird die graue stadt farbig: lauter berge, chalets, bergbahnen, bekannte landschaften, berggipfel und touristengesichter blicken den betrachter an: ferienprospekte zusammengeschnitten und aufgeklebt.
weil der bahnknotenpunkt für mobilität steht, hat der aus chicago stammende und in der schweiz lebende mark staff brandl seine «collapsible kunsthallen i und ii» mit nach olten gebracht: im koffer transportierbare kleinstmuseen mit werken bekannter künstler. roman signer, auf dem weg nach solothurn kurz in olten ausgestiegen, hat aus seinem reisekoffer eine bergbahn mit kleiderbügeln im kunst museum installiert. und verena thürkauf aus basel ist mit klebeband und kartonschildern angereist: «bild der heiligen familie in der metzgerei» und «glitzerndes meer» heissen zwei ihrer überall einsetzbaren werke, die aus nichts anderem als aus einer klebebandbegrenzung und einem bildtitel bestehen. gunter frenzel schliesslich, in rüttenen bei solothurn lebender plastiker, hat 174 vierkantstäbe im museum aufeinander geschichtet. ein werk, das unter der vibration der vorbeigehenden museumsbesucher sich immer wieder verändert und neu erstellt werden muss.
die witzige ausstellung «zwischen zwei zügen» im kunst museum olten dauert bis zum 7. november.