verstörende schönheit
naomi leshem wohnt in tel aviv – und kaum, dass wir es wissen, bilden wir uns ein, ihre fotografien anders lesen zu müssen, und beginnen, nach einer politischen botschaft zu suchen. so wird uns etwa das asphaltband durch eine gespenstisch öde landschaft, dessen rand gefährlich zerbröckelt, aber dessen markierungslinien in gelb und weiß akkurat gezeichnet sind, zu einem symbol für die urbarmachung der wüste und damit zum sinnbild für den ewigen streit um das recht an der wüste. die geschichte löst sich einfacher auf – und zugleich nicht weniger tragisch. an ebendieser stelle im vermeintlichen nichts hat eine junge frau bei einem motorradunfall ihr leben verloren. für naomi leshem wurde sie damit zum ort eines endgültigen abschieds. sie hat viele solcher orte in israel besucht, ob dort flugzeuge abstürzten oder menschen ertranken. für die hinterbliebenen sind es erinnerungsorte – für uns, die wir nur die fotos sehen, sind es beklemmend stille ecken des lands. orte von verstörender schönheit.
diesen effekt macht sich die fotografin auch in der serie „runways“ zunutze. und dort fügt sie dann die erwartete politische dimension in die arbeit. auf den start-und-lande-bahnen geheimer militärbasen lässt die fotografin junge frauen posieren, die in den kommenden tagen dort ihren militärdienst antreten werden. zwischen den bremsspuren der militärflugzeuge tanzen sie auf dem heißen asphalt, rennen dem horizont entgegen oder stehen wie erstarrt, den blick in die ferne gerichtet; die meisten von ihnen barfuß – wie als zeichen eines letzten moments von freiheit. wer aber die geschichte nicht kennt, sieht bloß die visionen eines traums vom fliegen. (f.l.)